Es verspricht ein spannender Abend zu werden: Manager aus allen Branchen treffen sich zum Austausch über Zukunftsthemen. Mehrere Referenten halten Impulsvorträge, eine angeregte Diskussion schließt sich an. Bei einem Vortrag unterbricht ein Vorredner, ein älterer Herr, HR-Verantwortlicher eines großen Konzerns, mehrfach die Referentin. Er stellt kritische Fragen und macht das Thema zum Politikum. Um seine Kompetenz noch einmal ins Bewusstsein der Zuhörer zu rücken, führt er die Rednerin vor und sichert sich durch Platitüden den Applaus des Publikums.
Mal abgesehen davon, dass es ein ungeschriebenes Gesetz gibt, dass Referenten sich nicht gegenseitig an die Karre fahren – außer in der Politik – ist es mehr als peinlich, wenn Manager, die sich Wertschätzung auf die Fahne schreiben, kläglich scheitern, sobald sie diese tatsächlich in der Praxis beweisen sollen. Genau diese Art von Verhalten ist ausschlaggebend für mangelnde Mitarbeiterzufriedenheit, innere Kündigung und Burnout. Doch das haben einige immer noch nicht begriffen. Stattdessen wird munter in betriebliche Gesundheitsvorsorge investiert, damit die Mitarbeiter leistungsfähig bleiben.
Wer prüft eigentlich die soziale Kompetenz und den systemischen Weitblick von Führungsverantwortlichen? Weshalb werden Manager, die auf der Skala der Empathiefähigkeit im unteren Level rangieren und die Auswirkungen ihres Handelns selten bedenken, hoch bezahlt und die Mitarbeiter, die darunter zu leiden haben, gemobbt?
Ein ethischer Grundsatz, kulturübergreifend, besagt: „Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg´ auch keinem andern zu.“ Manager, die diese Grundhaltung leben, und nicht nur als Lippenbekenntnis handhaben, sichern sich langfristig die Loyalität ihrer Mitarbeiter und haben zukünftig mehr Erfolg.
Der HR-Verantwortliche aus dem obigen Beispiel übrigens spricht der Referentin nach der Veranstaltung ein großes Lob für ihren guten Vortrag aus. Schade, dass seine offensichtliche Profilneurose ihm nicht gestattet hat, dieses positive Feedback schon während der Veranstaltung zu geben. Das hätte seine Position nicht geschwächt, sondern im Gegenteil von menschlicher Größe und Wertschätzung gezeugt.