Es ist kaum zu glauben, doch die Meinung hält sich hartnäckig: Für Etikette ist keine Zeit! Die vermeintliche Zeitersparnis währt allerdings nicht lange. Auf maximale Effizienz bedachte Führungskräfte übersehen oft die Anzeichen für einen schwelenden Konflikt. Mitarbeiter, die sich nicht wertgeschätzt fühlen, weil der Chef zum Beispiel den Geburtstag lediglich mit einem knappen Glückwunsch würdigt, ziehen ihre Konsequenzen. Die Missachtung gesellschaftlicher Konventionen kann viel mehr Zeit und Geld kosten, als es Respekt und Höflichkeit jemals könnten.

Was Adolph Freiherr Knigge bereits 1788 in seinem Bestseller „Über den Umgang mit Menschen“ schrieb, hat viel weniger mit der korrekten Benutzung von Messer und Gabel zu tun, als manche meinen. Vielmehr finden sich erstaunlich aktuelle Tipps für die wertschätzende Kommunikation untereinander – wertvolle Leitlinien für moderne Führungskräfte, denn „freiwillige Folgsamkeit muss erworben werden“.

Entgegen starrer Verhaltensregeln ist für Etikette-Fragen die oberste Maxime: „Was ist jetzt, in diesem Moment, in dieser Beziehung wichtig?“ Sich auf unterschiedliche Gesprächspartner und damit unterschiedliche Wertesysteme einzustellen zeugt von Flexibilität. Statt sich pikiert zu geben, wenn ein Kollege in der Kantine mit Besteck nicht umzugehen weiß, ist es günstiger, darüber hinweg zu sehen und sich auf das zu konzentrieren, was man gemeinsam erreichen möchte. Ein weiterer Erfolgsfaktor der sozialen Interaktion ist Souveränität, die entgegen der landläufigen Meinung, immer in jeder Situation Oberwasser zu haben, bedeutet, gelassen mit Unsicherheit umzugehen. Auch der eigenen!

Was Führungskräften im stressigen Berufsalltag manches Mal abhandenkommt, ist die Tatsache, dass sie Vorbild sind, und zwar in jeder Hinsicht, ob gewollt oder ungewollt. Mitarbeiter orientieren sich automatisch am Verhalten ihrer Vorgesetzten. Wenn Sie also Informationen als Incentive für gute Leistungen zuteilen, dürfen Sie sich nicht darüber wundern, wenn Ihre Mitarbeiter ebenfalls Bedingungen an die Weitergabe von Fakten knüpfen!

Erscheint Ihnen das einleuchtend? Oder glauben Sie noch immer, dass Etikette Zeitverschwendung ist? Um es mit den Worten eines Nachfahren von Adolph Freiherr Knigge auszudrücken: „Seien Sie doch einfach so egoistisch höflich zu sein“!