Während die einen den Werteverfall im digitalen Zeitalter beklagen, belegen demoskopische Studien das Gegenteil: Höflichkeit und Gewissenhaftigkeit sind so gefragt wie eh und je. Lediglich Bescheidenheit ist laut Allensbach nicht mehr im Trend.

Doch wie wenden wir die alten Regeln auf die neuen Kontexte an? Die Fettnäpfchen von gestern bleiben, doch neue kommen hinzu. Wie jüngst bei einem Vortrag eines international bekannten Experten. Gespannte Stille herrscht im vollbesetzten Saal, als der Referent die Bühne betritt und sein Laptop hochfährt. Auf der riesigen Leinwand ensteht ein getreues Abbild seines Desktops: ein privates Foto (s)einer sommerlich gekleideten Frau auf dem heimischen Sofa! Schallendes Gelächter brandet auf! Die Icons auf dem Desktop sprechen ebenfalls Bände und lassen uns teilhaben an den sonstigen Interessen des Fachmanns. Sehr aufschlussreich! Geistesgegenwärtig nimmt der Referent Zuflucht zu einem witzigen Spruch und rettet die Situation.

Was noch vergleichsweise harmlos erscheint, kann jedoch Konsequenzen haben. Selbstverständlich sind wir alle nur Menschen. Auch dem verknöchertsten Zeitgenossen muss klar sein, dass jeder ein Privatleben hat. Doch was davon nach außen dringt, sollte man sich gut überlegen. Sich ein professionelles Image aufzubauen, erfordert Kompetenz und viel Zeit. Wie viel schneller der gute Ruf ruiniert ist, das haben schon manche schmerzlich erfahren müssen.

Der verantwortungsvolle Umgang mit Smartphone, E-Mail, Facebook & Co. will also gelernt sein. Die modernen Kommunikationsformen sind nicht mehr wegzudenken aus dem Leben 2.0. und das wäre auch gar nicht wünschenswert. Die neue Herausforderung für unsere Gesellschaft besteht darin, die klassischen Werte upzugraden: Höflichkeit plus Toleranz, Pünktlichkeit plus Flexibilität. Wenn wir diesen Spagat schaffen, ist das Miteinander auch in der Post- 2.0 -Ära im wahrsten Sinne des Wortes wertschätzend!